Quantcast
Channel: WOLL-Magazin Sauerland
Viewing all articles
Browse latest Browse all 9581

Hasse schonn gehört? – Folge 14

$
0
0

Fragen Sie Dr. Nürsel

Frage: Lieber Dr. Nürsel! Hasse schonn gehört, dass die Stenografie bei uns im Sauerland erfunden wurde? Ist das nicht toll? Deine Brigitte aus Bruchhausen

Dr. Nürsel: Das wäre toll, stimmt aber leider nicht, liebe Brigitte. Die Stenografie gibt es laut Wikipedia bereits seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert, aber erst 1965 wurden an Sauerländer Grundschulen das Lesen und Schreiben als neue Fächer eingeführt und verdrängten die traditionellen Fächer Sägen und Zapfen vom Lehrplan. Erfunden haben wir allerdings die Stenophrasie, das stark verkürzte Sprechen. Die Stenoforscher der Fernuniversität Brilon-Wald gehen davon aus, dass die Stenophrasie ursprünglich auf Sauerländer Schützenfesten entstand, da bei der kontinuierlichen Pilsaufnahme oft nur wenige Augenblicke bleiben, um miteinander zu kommunizieren. Sie vermuten, das daher auch die regionale Redensart Schnasseln geht vor Quasseln stammt. Geübte Stenophraseure können selbst längere Frageketten wie „Wie geht es dir und Deiner Frau? Was machen die Kinder? Wie ist deine Leistenoperation verlaufen? Bist du gesundheitlich wieder auf dem Damm?“ ganz kurz zusammenfassen: „Und sonnz?“ Eine ausführliche Antwort wird übrigens nicht erwartet, es reichen ein Schulterzucken und ein kurzes Zuprosten.

Auch eine Sauerländer Erfindung: Die Quasselstrippe (Bildquelle: Wikipedia)

Auch eine Sauerländer Erfindung: Die Quasselstrippe
(Bildquelle: Wikipedia)

Das sogenannte Sauerländer Steno hilft heute nicht nur auf Schützenfesten, sondern überall dort, wo Menschen keine Zeit oder keine Lust auf langes Labern haben und trotzdem präzise verstanden werden möchten. Auf Familienausflügen zum Beispiel, wo man die Großmutter auf eine besonders schöne Aussicht aufmerksam machen möchte: „Kumma, Omma!“ Beim Umgang mit Schutzbefohlenen, die man auffordern möchte, ihren Medienkonsum einzustellen: „Mamma aus!“ Bei der Bestellung regionaler Köstlichkeiten: „Eima Manta!“ Oder im Lichtspielhaus, wenn man die kichernden Sitznachbarn höflich darum bitten möchte, ihren Lautstärkepegel spürbar zu senken: „Fresse!“ Um den Wunsch nachdrücklicher zu phrasieren, kann dem „Fresse!“ auch ein „Sonnz hackt’s!“ angehängt werden. Drei kleine Worte, und schon ist Ruhe im Kattong – so schön kann Steno sein.

Übrigens wurde auf dem Schützenfest nicht nur die Stenophrasie erfunden, sondern auch die Fingersprache, also das Kommunizieren mit Händen und Fingergesten. Die Fingersprache dient der Kommunikation an dicht belagerten Theken und wird von geschultem Sauerländer Pilspersonal sofort verstanden: Zwei Finger bedeuten zwei Pils, drei Finger drei Pils und so weiter. Um eine ganze Runde zu bestellen, rührt man einfach kreisförmig mit dem Zeigefinger in der Luft. Alles klar, Brigitte? Dann lassma kreisen, woll!


Viewing all articles
Browse latest Browse all 9581